
her für die Heimat ihrer Ahnen, die von da aus allmählich durch Tibet (nach der Vermuthung der
- heutigen Sinologen aus Mesopotamien und Chaldäa) immer weiter nach Osten vorrückten. Die
Welt der gefeierten Todten liegt für die Chinesen im Westen.
Am Ende des lilosterhofes erhebt sich die sogenannte „Halle“ der Himmelsbewohnerin
Kwan ym, des Genius der Sanftmuth und des Mitleids, im Sanskrit Avalokiteschvara genannt,
bie rem ostasiatische Legende ist reich an rührenden Einzelzügen, die verdienen, in- wenigen
Worten dargestellt zu werden.
CONFUCIANISCHER TEMPEL.
Einem alten grausamen Herrscher in einem kleinen,, an den nördlichen Theil von Hindostán
grenzenden Fürstenthum gebar seine kinderlose Gemahlin auf ihr Flehen und Gebete hin endlich
eine Tochter, , die durch ihre Tugenden die , ganze Welt in Erstaunen setzte. Die .Eltern erlaubten
ihr nicht, ms Kloster zu gehen. Allein sie wusste -dieselben zu überreden, ihrem Herzenswünsche
Gehör zu schenken. Im Kloster machte man.sie-zum Aschenbrödel. Allein sie fand unerwartete
Hulfsgenossen Als sie Gemüse-putzte, begannen ’ die Affen ihr beizustehen, beim Auslesen von
Theeblattern flogen die Vögel zur Hülfe herbei, ein weisser Tiger half ihr Holz aus dem Walde
holen. Ihr Vater, über ihre Frömmigkeit aufgebracht, liess das Frauenkloster in Brand stecken-
sie gebot jedoch auf wunderbare Weise den Flammen Einhalt, bas Ungeheuer befahl nunmehr die
widerspenstige Tochter hinzurichten. Diese aber zog
erdrosselte sich. Da erschien ein wildes Thier und
Kwan-yin entstand.
Die himmlischen Geister führten sie darauf in
zu zeigen. Das idealgesinnte Mädchen entsetzte
sich über die von ihnen erlittenen Foltern,
doch besonders ging ihr die Unwissenheit der
Verdammten zu Herzen. Die Macht der Liebe
und des Mitleids ergriff sie in diesem Augenblicke
so gewaltig, dass auf sie selbst sich ein
Blumenregen ergoss, die in . die Hölle Versessenen
sich aber plötzlich in das Paradies des
Amida versetzt fühlten.
Doch da ist sie selbst, die freundliche,
goldene Göttin! Riesengross und doch harmonisch,
geheimnissvoll lächelnd erhebt sie sich
über einem einfachen hölzernen Altar, den ein
rother Stoff drapirt. In die Altardecke sind die
Namen der Frauen aus der Familie der in
Kanton einflussreichen Krösusse (Chofkwa)
eingestickt, einer Familie, die in der Geschichte
der Stadt eine wichtige Rolle gespielt
hat, als diese den Ausländern noch fast verschlossen
war. Unmittelbarer Verkehr zwischen
diesen und den Eingeborenen wurde nicht zugelassen.
Mit der Vermittelung in Handelsund
manchen ändern Beziehungen beschäftigten
sich daher von den Behörden speciell dazu ernannte
chinesische Kaufleute (hong merchants),
die der Regierung sogar für das Betragen der
Fremden verantwortlich waren. Um sich den
Ihrigen gefällig zu erweisen, opferten die genannten
Kaufherren oftmals für die Verthei-
digung ihrer Vaterstadt grosse Summen. Auf
der ändern Seite legten sie hohen Werth auf
ihre Verbindungen mit der europäischen Welt.
Chofkwa kam an der Spitze der übrigen Handelsvermittler
bei einem englischen Angriffe zum
Geschwader, um Friedensunterhandlungen anzues
vor, die Sünde auf sich zu nehmen, und
entführte ihren Leichnam in die-Berge, wo
die Hölle, um ihr die Qualen , der Gottlosen
KWAN-YIN
(eine der verschiedenen Formen, nach einer chinesischen Zeichnung).
knüpfen. Als die Briten nach ihrem leichten
Triumph über den fast wehrlosen Feind sich der Residenz des Vicekönigs bemächtigten und sich
einfallen Hessen, den Gefangenen zum Hohne die Zöpfe abzuschneiden, um damit ihre Boote zu
schmücken, führten die Einwohner von Kanton den verrätherischen Gedanken im Schilde, den
„überseeischen Barbaren“ Speise und Trank zu vergiften. Die Chofkwas hielten es für ihre Pflicht,
den Europäern die ihnen drohende Gefahr-mitzutheilen. •g i Es mag sonderbar sein, über diese
Dinge vor dem Bilde der mildthätigen Kwan-yin zu sprechen. Ein Scharfer Geruch von Räucher-
Orientreise. II.