
gar keine Mühe geben, aus der riesigen, im Wachsen begriffenen Nachfrage nach Kohlen grössern
Gewinn zu ziehen., In Oxford wurde die Frage, ob der tonkinesische „schwarze Diamant“ den
Vorzug vor dem japanischen verdiene, einer eingehenden Untersuchung unterworfen und dabei
constatirt, dass die Eigenschaften der erstem Kohle mit denen der von Cardiff fast ganz übereinstimmen.
Es hängt einzig von der Einsicht der Franzosen ab, ob sie ihrem Heizmaterial deu Markt zwischen
Kolombo und Schanghai erobern wollen. Wer dabei das politisch ausserordentlich wichtige Südchina
irgendwie in Abhängigkeit von sich bringt, gewinnt in den Südwestgebieten des Grossen Oceans
de facto den Vorrang. Warum strebt Frankreich nicht danach?
GERICHTSVERHANDLUNG.
Den Engländern macht die Frage der Vertheidigung von Hongkong, des Gibraltar des Ostens,
gewaltig zu schaffen. Die Garnison besteht aus nicht weniger als 3—4000 Mann. Die Ausgaben
für diese beliefen sich in den letzten Jahren auf ungefähr acht Millionen Mark. Es ist dies nicht
besonders viel, wenn man in Erwägung zieht, welche grosse Bedeutung in commerzieller und politischer
Beziehung dieses Centrum besitzt
Die Haupthoffnung der Vertheidigung im Falle eines Krieges besteht mit Recht in dem
mächtigen Geschwader. Die Panzerschiffe unter britischer Flagge können jederzeit auf den
für sie in Hongkong eingerichteten „Naval Yard“ mit musterhafter Werft und Arsenal zählen.
Die Einfahrt in den Hafen gilt für unerzwingbar; doch könnte ihm von der Südseite her eine
feindliche Landung gefährlich werden. Noch bedrohlicher drängt sich den Behörden der Gedanke
an einen Massenaufstand oder Ueberfall seitens der Chinesen auf. Diese brauchten nur zu wollen,
so wäre es ihnen ein Leichtes, die die Stadt Victoria bewohnende, weisse Bevölkerung zu vergiften
oder auszuhungern. Wahrscheinlich wird früher oder später der eine oder andere Fall eintreten.
Die Nähe des Himmlischen Reiches gewährt den Engländern grossen Vortheil, könnte sich
aber auch verhängnissvoll erweisen. Die Chinesen von Hongkong sind ein den Wünschen der
Colonialregierung nicht sehr ergebenes Volk. Zu dem Bestände der einheimischen Bevölkerung
kommen in beträchtlicher Anzahl Landstreicher und Verbrecher, die es für gut befunden haben,
sich auf einige Zeit den Verfolgungen auf dem Boden der Heimat zu entziehen, und einige Zeit
unter den Schutz einer liberalen fremden Gesetzgebung treten. Sollte aber einem dennoch einmal
die Gefahr der Untersuchung und Auslieferung drohen, dann lässt er sich sofort irgendein leichtes
Vergehen zu Schulden kommen, wandert hier auf kurze Zeit ins Gefängniss und ist dann für
jede Verfolgung unerreichbar, denn die Auslieferung ist mit den grössten Formalitäten verknüpft.
Da die strengen Mandarinen mit dem Pöbel von Kanton kurzen Process machen, so fordern die
Beamten von Hongkong gewöhnlich, dass in erster Linie die Schuld bewiesen und die Identität
des Verfolgten' festgestellt werde. Dies ist aber meist sehr schwer, daher ziehen die bezopften
Beamten in solchen Fällen es vor, sich um das Opfer nicht weiter zu kümmern. Die gelb-
gesichtigen Outlaws machen sich rasch mit den Reizen der freien bürgerlichen Existenz vertraut
und verlegen sich nicht selten auf Raubmord. Deshalb hält die Polizei nachts auf der Rhede sorgfältige
Umschau, damit kein chinesisches Boot Passagiere vom Ufer auf Dampfboote bringe, ohne
seine Papiere vorgewiesen zu haben. Wenn arglose Ausländer auf die Dampfer gefahren werden,
• sind plötzliche Ueberfälle sehr häufig. Die als Schutzleute fungirenden Sikhs sind nach Sonnenuntergang
mit Garabinern bewaffnet und richten an jeden Chinesen, der ihnen begegnet, die
Frage, wer und woher er sei. :
Offene blutige Zusammenstösse der Eingeborenen mit den Polizisten mitten auf den Strassen
von Victoria haben aufgehört. Das Feuer glimmt jedoch unter der Asche weiter und kann leicht
wieder zu heller Lohe aufschlagen. Nicht umsonst steht das europäische .Corps stets bereit und zwar
in. <lcr durchaus nicht der Hygieine entsprechend eingerichteten Stadt selbst, nicht auf den Anhöhen.
Die Feindschaft zwischen den von deh Behörden von Kanton selbst aufgewiegelten Chinesen
und der weissen Bevölkerung trat in frühem Zeiten mehr als einmal* in schärfster Weise zü'Täge.
Nicht-wenig trug dazu die elende Lage der Kulis bei, die von hier aus (wie aus Makao) erbarmungslos
nach Amerika verschifft wurden. Wahrscheinlich war zun: Jh e il auch der jämmerliche
Zustand der Disziplin unter den Truppen von Hongkong jllu ld daran, die den Unfug so weit
trieben, sich mit der Polizei zu schlagen, und ausserdem massenhaft auf die amerikanischen Walfischfänger
desertirten. Die britische Regierung musste im Jahre 1.859 zwei- Europäer in Hongkong
bestrafen, weil sie meuchlings einen chinesischen Diener ermordet hatten. Kein Wunder, wenn die
Eingeborenen den verhassten Eindringlingen mit gleicher Münze heimzahlten. Es ist noch nicht
-$nge her, dass die Bäcker fast sämmtliebe Weisse eines ischönen Morgens hatten vergiften wollen.
Die Einwohner von Kanton riefen ihre Angehörigen aus der „fremden“ Stadt zurück, schickten
dorthin heimlich, Brandstifter und Räuber, verübten auf der Rhede freche Ueberfälle -auf die
Ausländer, unterminirten geschickt die Indische Bank u. S fw . Zum Glück verfiel man aut
den Gedanken, zur Unterstützung der Stadtverwaltung einige Hundert zuverlässiger, ergebener
Leute aus Indien kommen zu lassen und auf die Unheilstifter und Schmuggler auch zur See Jagd
zu machen. Die Behörden des Himmlischen Reiches geben sich, augenblicklich alle Mühe, die Aufsicht
über die Unruhigen, zu verschärfen. Aber was will die Wachsamkeit einiger weniger Beamten
gegenüber der Hartnäckigkeit und Mitwisserschaft vieler Tausende von Widersachern!