
Die Ereignisse in Europa unterbrachen nur, was unvermeidlich war. Saigon wurde im
Jahre 1859 französisch. Dies geschah i als Napoleon IIL im Bunde mit der spanischen Regierung
so etwas wie einen Kreuzzug wider das heidnische Indochina anordnete. Unter der „gelben“
Fahne von Annam, der Fahne „der Kinder des Himmlischen Reichs“ , wie sich die Annamiten
in ihrer Naivetät nannten, bestand damals ein schlechtes Verhältniss zu den eingeborenen Christen.
Der Kampf um Cochinchina ging nicht ohne beträchtliche Opfer ab, dank der Tapferkeit
der einheimischen Truppen, die sich hinter Verschanzungen vertheidigten,
die einige Jahrzehnte früher von in hinterindische Dienste getretenen
französischen Ingenieuren aufgeführt worden waren. Nachdem Frankreich
in Gemeinschaft mit Spanien gesiegt hatte, veranlasste es das letztere, Cochinchina
zu räumen. Es motivirte dies damit, dass den Bundesgenossen
EMPFANG IN SAIGON.
grösserer „Ruhm“ in Tonkin lächeln würde. Ruhm hatten die armen Spanier schon errungen, sich
aber auf weitere zweifelhafte Expeditionen einzulassen, dazu reichten ihre Kräfte nicht mehr hin..
In Paris ist man sich noch nicht genügend bewusst, was die Erwerbung der Länder Hinterindiens
für Frankreich bedeutet Es gibt sogar nicht wenige Stimmen, welche die Colonialpolitik
der Regierung verurtheilen. Indessen könnten die Franzosen, falls sie mehr weitsichtige Staatsmänner
besässen, im Stillen Ocean und in Südasien eine viel grössere Rolle spielen als bisher.
Schon 1682 wiesen z. B. ihre energischen Seeleute auf die ökonomische und strategische Bedeutung
der Meerenge von Malakka hin, allein niemand fiel es ein, diese glänzende Idee zu verwirklichen.
Anstatt die siamesische Gesandtschaft im Jahre 1682 durch ganz Frankreich, Flandern
inbegriffen, mit der grössten Parade herumzuführen und dieselbe den Hofdamen die Cour machen
zu lassen, wäre es zweckmässiger gewesen, wenn man die Bedingungen studirt hätte, unter
welchen es wünschenswerth und möglich gewesen wäre, zu Asien in innigere Beziehung zu treten
und mit den dortigen Völkern wirkliche Freundschaftsverhältnisse anzuknüpfen.
Solche Pläne hegte aber damals in Paris kein Mensch. Die nützliche „Compagnie des
Indes“ liess man zu Grunde gehen. Durch eine ganze Reihe von Fehlern zwang man damals
das Volk am Menam, über ein der „Ehre“ halber zur Occupation von Bangkok gesandtes französisches
Detachement herzufallen. Eine Folge davon war, dass dem unter Napoleon III. nach Siam
abgeordneten ersten Gesandten Montigny, der im allgemeinen ein geschickter Diplomat war,
schimpflicherweise von den Engländern ein Empfehlungsschreiben an den König Mongkut an-
geboten wurde. — Wir fahren mindestens schon
drei bis vier Stunden vorsichtig durch
die Krümmungen des Donnai. Die
Schiffahrt auf demselben ist nicht
ohne Gefahr, der Sandbänke
wegen, deren Beseitigung
nicht nur sehr an der Zeit,
sondern auch: möglich
wäre. Das Ziegelroth des;
Wassers ist von Metallglanz
umleuchtet. Der
monotone Horizont ist
ohne Grenzen, oder es
fehlen ihm vielmehr
alle Umrisse. Fäden
unzähliger Kanäle (den
Ariks Türkestans entsprechend)
durchschnei-
den die uns umgebende
sumpfige Ebene. Gegen-
wärtig herrscht Dürre,: und
die Vegetation gewährt einen
wahrhaft kläglichen Anblick. Palmen
und Bananen sind in der langweiligen
Landschaft ziemlich selten. Gelb-
graue Hütten lugen hinter dem Pfahlzaun
aus dem Gesträuch hervor. Hässliche dunkelfarbige
Büffel schwärmen ab und zu aus demselben
und wühlen sich mit Behagen in den Üferschlamm.
Die Hitze wird unerträglich. Bald gerade vor uns, bald Sa ig o n vo m f l u s s e a u s .
rechts, bald links, bald wieder hinten blinken uns, unter
den unaufhörlichen Drehungen und Wendungen der Fregatte, die etwas plumpen Thürme 'der
Kathedrale von Saigon oder die Masten und Schornsteine des nahen „Monomach“ entgegen.
Ungeschlachte Boote der Eingeborenen fahren an uns vorüber, Fahrzeuge, die wie Tonnen aus-
sehen, sogenannte ,jSampane“ , ein Wort, das. „drei Bretter“ bedeutet und im vollsten Sinne ihrer
primitiven Zusammenfügung entspricht. Kupferbraune Ruderer beiderlei Geschlechts in breitkrempigen,
lackirten Strohhüten, unter denen ein von Kokosnussöl triefender Chignon sich wölbt,
verrichten stehend ihre Gondolierarbeit. Bartlose Männer, hässliche Weiber mit vom Betelkauen
blutrothen Lippen und schwarzem Münd, Jungens mit einem kleinen Schopf auf dem rasirten
Kopfe blicken von ihrer schwimmenden Wohnung theilnahmslos auf unser Panzerschiff.