
Ganz verschieden von dieser Affenart ist der „Nycticebus“ oder „Stenops tardigradus“ . Den
ganzen Tag über sitzt das winzige, zottige, unansehnliche, zum Theil an ein kriechendes Hündchen
erinnernde Thier träumerisch da, ein Faulpelz von einem Affen, der sich in der Freiheit von
Vogeleiern und Vogelgehirn nährt, jetzt aber langsam dahinstirbt, da man ihn nur mit Früchten
füttert. Wenn man das Thier vor Einbruch der Dunkelheit beunruhigt, öffnet es unter kläglichem
Gewinsel und Angstgeschrei seine trüben Augen, die wie zwei gelbe Knöpfe aussehen, die auf
des Thieres spitze Schnauze aufgenäht sind, und blinzelt damit convulsivisch: das Sonnenlicht verursacht
ihm Schmerz und blendet es. Nachts verwandelt sich das Thierchen auf die seltsamste
Weise. Lautlos klettert und schleicht es herum. Die Illusion, es befinde sich daheim im Urwald
unter Baumriesen, an welchen zahlreiche Nester hängen, mildert ihm scheinbar auf einige Stunden
des Tages den langsamen Todeskampf.
Die kleinen Elefanten -dehnen ihre Wanderungen auf der Fregatte bis zum Verdeck aus.
Sie sind gar nicht ungehalten, nicht einmal muthwillig, wie etwa der Elefant, der in Kolombo
beim russischen Gonsul Frisch zurückgelassen wurde, bis einer der nach Odessa fahrenden Dampfer
der russischen Freiwilligen Flotte anlegen würde.
Bald nachdem unsere Schiffe die Anker gelichtet hatten, wusste das freiheitsliebende Thier
nächtlicherweile sehr geschickt den stärksten ihm umgeworfenen Strick aufzudrehen und lief dann
in den Garten hinaus, alles vor sich zerbrechend und niederstampfend. Der Hausherr, nur ,in
Nachtgewand und Pantoffeln, machte sich sofort auf die Beine, den Ausreisser einzufangen. Allein
der letztere rannte das Gartenthor ein, prellte den Consul zweimal und stürzte sich schnurstracks
in das nahe der Stadt gelegene'Dschungel. Consul Frisch verlor seine Schuhe, machte sich aber
trotzdem mit der Dienerschaft barfuss aufs eifrigste auf die Verfolgung. Der junge Elefant hatte
sich inzwischen wieder eine menschliche Wohnung zum Opfer auserkoren, an der er seinen
Muthwillen ausliess, nahm dann im nächsten Teiche ein erquickendes Bad, schleuderte einen holländischen
Kaufherrn, der sich auf der Veranda seiner Villa ausruhte, sammt seinem Sitze äuf die
Erde, zertrümmerte die Möbel auf dem Balkon und entlief dann auf dem am Meeresufer entlang
führenden Wege.
Unser Consul begab sich selbst zu Pferde auf die Fortsetzung der Jagd, begleitet von herbeigerufenen
Polizisten. Diese fingen den Elefanten mit Fackeln. Zuerst gab man blinde Schüsse
auf den armen Schelm ab, die ihm panischen Schrecken einjagten, dann band man ihn an einen
Baum fest. Erst am ändern Mittag zwölf Uhr gelang es den Verfolgern, den Flüchtling an Seilen
nach Hause zu schleppen.
lieber den Einfang des Thieres enthielt die ceylonesische Presse eine besondere Rubrik|
„The Cesarewitch’s calf elephant runs amuck“. Unter dem Ausdruck „Amock laufen“ versteht
man bekanntermaassen den rasenden Zustand der Malaien, die urplötzlich zum Messer greifen und
in wahnsinniger Wuth ins Blaue hineinstürzen, wobei sie jeden, der ihnen gerade unter die
Finger kommt, niederstechen. Allerdings hat dafür das Volk auch das Recht, einen solchen
Rasenden ohne weiteres unschädlich zu machen.
Es war nicht das erste mal, dass man am Menam erlauchten Ausländern junge Elefanten
zum Geschenk machte. König Phra Nara'i schickte in den achtziger Jahren des 17. Jahrhunderts
zwei junge Riesenthiere den Herzogen von Burgund und Anjou (deux éléphants, qualifiés d’éléphants
de poche), wiewol das Gewicht eines jeden dem eines halben Dutzend Ochsen gleichkam.
Sonnabend, 28. März.
Das russische Geschwader ist in die französischen Gewässer eingelaufen. Wir befindën
uns in der sogenannten „Kokospalmen-Bai“ , die die Form eines Hufeisens hat. Durch dieselbe
gehen die unterseeischen Kabel nach Singapur und China. Wie Heimatluft weht es uns von der
trüben unansehnlichen Küste des hügeligen, bewaldeten Vörgebirgs S t Jakob entgegen, wo
zwischen bittersalzigen Sümpfen einer der befruchtendsten Ströme Cöchinchinas ins Meer fällt und
sich ein weisser Leuchtthurm, eine Telegraphenstation und ein Semaphor-befinden. Unsere Seeoffiziere
erklären, die finstere Umgegend, die noch-von Tigern wimmelt, erinnere entschieden an
den Eingang des Hafens von Wladiwostok. Zwei politisch einander die Wage haltende Mächte
haben sich gleichsam miteinander tacito consensu verabredet, fast gleichzeitig auf Küstenpunkten
Ostäsiens festen Fuss zu fassen, die äüsserlich betrachtet theilweise einander analog sind. Nur ist
hier das Meer stets offen und befindet sich in der Nähe ein beständig von belebenden Winden
umwehter Leuchtthurm, sodass die Anlage einer guten Gesundheitsstatiön auf den Anhöhen leicht
ist. Ganz anders verhält sich die Sache an unserer düstern Ussuri-Küste.
Mit der Flut haben die „Pamjat Asowa“ und der „Wladimir Monomach“; Lootsen angenommen
und dampfen nun in das schmale Fahrwasser des tiefen, gewundenen Donnai (Dong-
na'i).. Der „Admiral Nachimoff“ bleibt auf der äussern Rhede. Links und rechts um uns herum
AN DER KÜSTE VON GOCHINCHINA.
wechseln in eintöniger Wiederholung Moor und Waldwildniss ab. Zwischen dem niedrigen,
dichtverschlungenen Pflanzenwuchs lässt sich hier und da die Wohnung eines Eingeborenen ahnen.
In einer Menge Stromkrümmungen müssen wir etwa hundert Kilometer bis Saigon zurücklegen.
Eine unzugänglichere Operationsbasis ausfindig zu machen, als die Hauptstadt des französischen
Indochinas, würde schwer sein. Singapur tritt in militärischer Beziehung vor ihm ganz zurück.
Gochinchina ist von dem Portugiesen Andrada im Jahre 15 16 eröffnet worden. Ein Jahrhundert
später begann der Missionar Carvalho, ebenfalls -ein Portugiese, das Christenthum in diesen
Gegenden zü verbreiten, wobei er sein Hauptaugenmerk auf die hier, eingesessenen japanischen
Kaufleute und' Arbeiter richtete. Gerade damals vertrieb das „Land des Sonnenaufgangs“ die
katholischen Prediger und verfolgte sie grausam.
Die untereinander in grimmiger Fehde liegenden Colonisatoren aus Europa machten der
Reihe nach den Versuch, mit den blühenden Ländern, die zwischen Annam (dem „beruhigten
Süden“ nach chinesischer Weltauffassung) und dem nach einer erweiterten Machtsphäre strebenden
Siam liegen, Verkehrsverbindungen anzuknüpfen. Den grössten Einfluss gewann hier allmählich
das königliche Paris, und wäre nicht die Revolution plötzlich hereingebrochen, so hätten diese
Verbindungen zweifellos noch am Ende des 18. Jahrhunderts die reichsten Früchte getragen.