
Riesen zu binden. Er aber widersetzt sich hartnäckig, räumt alle Hindernisse aus dem Wege und
verbirgt sich unter der Heerde seiner Genossen, aus welcher ihn auszusondern für den Jäger sehr
gefährlich wäre. Die Kraft des vierfüssigen Ungeheuers ist so gross, dass den Leuten, die ihm
Fesseln umwerfen, jeden Augenblick Verderben droht, wenn es in der Arena wüthend zum
Schlage ausholt. Das schlaue Thier trachtet bei jedem Schritt die Absichten des Menschen vorauszusehen.
Das Ende jedoch ist, dass dieser nur noch listiger vorgeht, Elefanten aus dem Pferch
entschlüpfen lässt und das Hauptexemplar zwischen den Pfählen fängt. In dem Augenblicke, in
dem sich der Riese unbemerkt den Seinigen anschliessen wollte, lässt man auf ihn die dicksten
Querbalken fallen, das Thier erstickt beinahe in der Klemme. Halb ohnmächtig, spannt es vergeblich
Seine letzte Kraft an, zu deren Entfaltung ihm jedoch der Raum mangelt Die Holzblöcke
krachen beim Widerstand . . . ganze Kübel Wasser werden über den tobenden Gefangenen ausgegossen
. . . man streut ihm Bananen und Zuckerrohr v o r . . . er aber wendet sich mit Geberden
der Verachtung von dem Naschwerk a b . . . Da tritt einer von den Treibern mit der Pike
nahe auf ihn zu: sofort wird sie ungestüm erfasst und wie ein Streichhölzchen in Stücke
zerbrochen. Mit grösster Vorsicht werfen jetzt einige erfahrene Leute dem Thiere eine Reihe
aus Büffelfell geflochtener Riemen um, geschickt umwickeln sie es damit vollständig wie mit
einem Netze. In solcher Umstrickung lässt man den armen Schelm in die Arena zurückkehren.
Währenddessen werden ihm seine Beine mit acht fünf Klafter langen Stricken an die stärksten
Pflöcke straff angebunden, sodass ihm die Bewegung zwischen denselben zur Qual wird.
Nun wird ihm um den Hals eine Fangschnur, ebenso unauflösbar wie die übrigen Fesseln,
geworfen, ein Ende des Lassos wird einem mit demselben umwundenen zahmen Elefanten
übergeben, und siehe da, alle beide stehen in Freiheit. Der ungezähmte Gigant hat endlich die
Aussichtslosigkeit seiner Lage und die Unmöglichkeit, seine Fesseln zu zerreissen, eingesehen.
Noch einige Viertelstunden schlägt er um sich, dann aber übermannt ihn die Schwäche. Nunmehr
sollte jemand an ihn herantreten und ihn an seinen Standort im Stalle führen: doch wer
möchte sich dazu entschliessen? Langsam lenkt ein zahmer Riese mit einem Führer seine
Schritte auf den wilden zu und muss sich wieder zurückziehen. Das gefesselte Thier hat den
unerbetenen Mentor mit seinem Kopfe so heftig an die Stirne gestossen, dass dieser beinahe
zu Boden stürzt, der Reiter aber fällt und sich kaum noch am Sattelgurt festhalten kann. Man
hat es augenscheinlich mit einem Thiere zu thun, das sich nicht zähmen lässt. In solchen
Fällen pflegt man es schonungslos in Banden liegen zu lassen, wobei es dann gewöhnlich an
Entkräftung und Nahrungsmangel verendet Wozu?
Im Gegensatz zu der Roheit, mit der man gegen solche Geschöpfe hier und da verfährt,
benehmen sich die sanftmüthigen Siamesen, wenn anders den Erzählungen der Touristen Glauben
beizumessen ist, gegen die Repräsentanten derselben Thiergattung sehr liebevoll, sobald sie nur
etwas heller sind als ihre Mitgenossen. Vor zwanzig Jahren veröffentlichte ein beim französischen
Consulat zu Bangkok angestellter Herr Lorgeau in den „Mémoires de la Société Académique
Indo-Chinoise de la France“ ein originelles „Lied zu Ehren eines weissen Elefanten“ ,
welches dessen Lage in der ersten Zeit nach seiner Gefangennehmung schildert. Solche Lieder
sollen des Elefanten Kummer und Seèlenleid lindern und stillen. Der Cultus riesiger Wesen, ohne
Rücksicht auf ihre Farbe, athmet den Geist des Brahmanismus, der in seinen „Schastras“ (siamesisch
satr) das Elefantengeschlecht in vier vollständig verschiedene Arten eintheilt: die eine verdankt
ihren Ursprung Schiwa, die zweite Wischnu, die dritte Brahma, die vierte Agni, dem Gotte des
Feuers. Aus den von diesen Göttern erschaffenen Wunderpaaren entwickelte sich eine gewaltige
Nachkommenschaft, die die himmlischen Sphären und die Erde bewohnt Einige Elefanten bringen
vermöge der ihnen angeborenen Eigenschaften Unglück, andere Glück. Die „weissen“ Exemplare
gehören zu den „feurigen“ Schöpfungswerken, und ihr Besitz verbürgt das höchste irdische Glück.
Ihr Stammvater ist nach dem Volksglauben ein geheimnissvolles Wesen mit dem dreiköpfigen
Elefantengesicht, das aus dem Flammenblick Agni's ins Dasein getreten ist. Die aus ihm hervorgegangenen
vierfüssigen Riesen, insgesammt Albinos, sind dazu berufen, nur Fürsten anzugehören,
die mit Eifer über die Aufrechterhaltung der Religion..wachen und Barmherzigkeit üben. Unter
diesen Ausnahmethieren gibt es allerdings nicht wenige solche, deren Farbe an eine verwelkende
Lotosblume oder an ein verdorrendes Bananenblatt gemahnt, wenn man ihren Farbenton nicht
lieber schwach ziegelroth nennen will, und besitzt man solche seltene Elefanten, so muss man sie
fleissig waschen und abreiben, sonst sieht man ihnen die seltene Hautfarbe nicht einmal an.
Die Rasse Schiwa’s sichert den Besitzern von Exemplaren aus derselben Reichthum und
Rang, die des Wischnu gewährt Sieg und Fruchtbarkeit, die von Brahma geschaffene langes
Leben und Weisheit, die Agni-Rasse schützt vor Hunger und Mangel, auch gewährleistet sie
Sicherheit vor Missgeschick, Ungerechtigkeit und Krieg. Die Wohlfahrt der Völker erfordert
deshalb die sorgsame Pflege sämmtlicher vier Rassen.
^ Die in den Wäldern eingefangenen, durch ihre Eigenschaften göttlichen Riesenthiere
bedürfen des Trostes. Die zu ihrer Bedienung Angestellten singen ihnen schmeichelhafte, freundliche
Ermahnungen vor, damit sie ihre heimatliche Wildniss und die väterliche Heerde vergessen
sollen, da sie in der süssen Sklaverei recht viel Liebe und Sorge umringt
Morgen werden wir das strahlend schöne Land am Menam-Strome verlassen. Das phantastische
Panorama loderte vor uns hell auf und erlischt wieder, bevor wir es noch gemessen
konnten. Von Siam scheidet man wie von etwas uns längst Nahestehendem und Theuerm.
Abends ladet der König die erlauchten Gäste zu einem Concert im einheimischen
Geschmacke ein. Wer in Europa weiss etwas von siamesischer Musik? Ich bin Professoren an
Conservatorien begegnet, die von ihr nicht einmal gehört hatten. Indessen lautet fast das einstimmige
Urtheil der Reisenden über sie, sowie über die Musikvirtuosen nur lobend, trotzdem
die in ihrer Einrichtung ziemlich urzeitlichen Instrumente theilweise nicht höher stehen als diejenigen,
die zur Zeit des Psalmisten David im Gebrauch waren.
Das originelle Orchester (siamesisch „Machori“) hat sich in einem besondern Palaste
versammelt Man reicht uns ein interessantes Programm, auf welchem die mitspielenden Künstler
(vorzugsweise die Solisten) mit Namen aufgeführt, werden: die Herren Sin, Nuan, Feun, Sangwal,
Oi, Baron de Sam Ang, Yim-, Luam, Plak, Yam, Fan, Sak.
Aehnlich wie auf Java der zarte Gamelang den Grossfürsten - Thronfolger mit den
Klängen der russischen Nationalhymne überraschte, so wird Seine Kaiserliche Hoheit heute von
den süssen Klängen des harmonisch dahinfliessenden „Bosche Zarya Chrani“ auf siamesischen
Instrumenten bewillkommnet.
Die begabten siamesischen Musikanten widmen sich ihrer im Lande höchst geachteten Kunst
von Kindheit an, und da sie ausserdem sich durch musterhaften Fleiss ein ausgezeichnetes
Gehör erwerben, so vermögen sie jedes beliebige Stück in höchster Vollendung wiederzugeben.
Nicht umsonst hielt es der Hof von Bangkok, als Schutz und Hort der vaterländischen Künstler,
schon vor sechs Jahren für zeitgemäss und möglich, eine ganze Gruppe siamesischer Virtuosen
nach England zu schicken. Hiesige Instrumente waren schon früher, unter dem zweiten Kaiserreich,
in Paris ausgestellt. Aber auch dort hatte natürlich niemand Gelegenheit, eine so bemerkens-
werth vollständige Sammlung derselben zu betrachten, wie wir sie gegenwärtig beieinander sehen