
ganzen Umfange dargestellt und begriffen worden ist. Siams Beziehungen zu Birma wurden
schon von mir charakterisirt, als vom mittelalterlichen Ayodhya die Rede war. Sein ehemaliger
Zusammenhang mit den ändern Nachbarstaaten ist aber noch interessanter und wichtiger, wenn
man die nächste Zukunft ins Auge fasst
Annam und Siam führten von alters her widereinander Fehde, da das erste hartnäckig den
Versuch wiederholte, sich endgültig zunächst das Reich Ziampa (d. h. Cochinchina), dann aber
auch Kambodscha zu unterwerfen. Im Jahre 13 13 wurde vom Menam aus ein gewaltiges, aus
Kriegern der jetzigen Laos-Provinzen bestehendes Heer nach dem Norden entsandt, um die Macht
Siams auf den Trümmern des Chmer-Staates zu befestigen. Die Annamiten bildeten sozusagen
die Avantgarde des nach Süden strebenden China. Ihre Ahtagonisten personificirten das zähe,
geschmeidige Inderthum, das weit über die Grenzen seiner Heimat hinaus vorgedrungen war.
Es colönisirte eben Java und schuf es in seinem Geiste um, ebenso einen T he il' der ihm
benachbarten Malaienländer; dann drang es an die indochinesischen Küsten vor, zwang sogar
das prosaische Himmlische Reich, den Zauberreiz seiner geheimnissvollen Weltanschauung zu
kosten, und trug- das Licht seiner Weisheit tief in das Innere des Gontinents. Wäre es den
Landsleuten der brahmanischen „Heiligen“ und Buddhas gelungen, das Samenkorn des arischen
Genius noch weiterhin und noch tiefer in das Innere Asiens zu verpflanzen^ wahrlich, es würde
fruchtbarer auf die fernere Entwickelung der begabten Völker der mongolisch-malaiischen Mischrasse
eingewirkt haben als die systematisch alles und alle nivellirende Givilisation der Nachfolger
des Konfucius.
■ Im Jahre 1*780 schwang sich der einflussreiche siamesische Oberst Tschatri oder Tschakra
auf den Thron. Der frühere König hatte ihn mit einer Armee gegen Kambodscha geschickt, das
sich auf die Seite der Annamiten geneigt hatte. Zugleich hatte er sich die Abwesenheit des
politisch gefährlichen Beamten zu Nutze gemacht und dessen Familie in seine Gewalt gebracht..
Unterdessen waren aber im Lande Aufstände äusgebrocheii, und Tschatri, der rasch mit dem Feinde
Frieden schloss, kehrte zum Verderben seines Beleidigers zurück, dessen. Thron ihm sofort zufiel.
Seit jener Zeit haben sich die althergebrachten schlechten Beziehungen zum nördlichen
Annam etwas gebessert Als im Jahre 1783 die malaiischen Soldaten sich gegen den König von
Kambodscha empört hatten, nöthigten sie ihn, nach Bangkok zu fliehen. Dorthin kam sehr
bald, ebenfalls hülfesuchend, der Herrscher von Gochinchina, Nguen Auh, in der Geschichte von
Indochina bekannt unter dem Namen Gialong (eigentlich „fürstliche Ausdehnung“ ) , der aus
seinem Heimatlande durch ihm feindselige Stammesgenossen (aus dem Nordwesten) vertrieben
worden war. Mehr als einmal zog der Verbannte aus ^Bangkok aus, stets in Begleitung beträchtlicher
Hülfstruppen und der siamesischen Flottille, um sein Land bei Saigon zurückzuerobern. Dies
gelang ihm jedoch lange Zeit nicht, obwol diejenigen Südannamiten, die ihrem Fürsten trotz
seiner Niederlagen die Treue bewahrten, ihm auf jede Weise ihre Unterstützung kräftig zutheil
werden liessen. Endlich aber durfte er triumphiren. Solange der Kampf noch unentschieden hin-
und herschwankte-, beschäftigten sich die Flüchtlinge aus Cochinchina -zu Bangkok mit allerlei
Handwerken und halfen den Siamesen unter anderm mit Erfolg ganz besonders im Kriege gegen
Birma, ausserdem aber, auch in der Verfolgung der malaiischen Seeräuber, welche die Künste
von Siam verwüsteten.
Nach dem Siege wurden die guten Beziehungen zu Siam nicht abgebrochen: in der
Folge wurde noch im Jahre 1797 hierher aus Saigon eine für die damalige Zeit ziemlich gut
gerüstete, 10 000 Mann starke Armee gegen die Birmanen ins Feld geschickt. Ein Jahr
später kam Bangkok dem Fürsten Gialong in dessen Kampf mit seinen nördlicheil Nachbarn zu
Hülfe, indem es gegen dieselben durch die befreundeten Laos-Provinzen ein Heer absandte.