
Der Werth der Stosszähne hängt nicht etwa von ihrem Glanze und ihrer Grösse ab,
sondern von der innern Consistenz, d. h. davon, dass das zarte Weiss derselben unter sorgfältiger
Pflege immer weisser wird. In dieser Beziehung scheinen die guten Eigenschaften der afrikanischen
Ausbeute diejenigen der asiatischen zu übertreffen.
Die Eingeborenen Indochinas haben gegen die Elefanten niemals einen schonungslosen
Vernichtungskrieg geführt. Diese Thiere erscheinen vielmehr dem Indochinesen von jeher als
etwas Verehrungswürdiges. Die Buddhisten kennen überhaupt keine rücksichtslosen Raubinstincte
gegenüber dem, was auf demselben Boden mit ihnen in allen möglichen Stufenformen des
Daseins lebt und webt Für die südostasiatischen Völker bildeten die Riesenthiere jederzeit die
leibhaftigen Symbole der Macht ihrer Fürsten, die handgreiflichen Hebel der Regierungsgewalt,
der Autorität und des Ruhms. Verbrecher hinzurichten, den Feind zu zermalmen, der Menge
den himmelsgeborenen Herrscher zu offenbaren, hat dem Orientalen seit uralten Zeiten als der
Beruf des abgerichteten Elefanten gegolten.
Die mit dem Fang und der Zähmung Betrauten finden unter der in den Pferch getriebenen
Heerde nur wenige Exemplare, die sich für den Dienst des Menschen eignen. Deshalb lässt man
die Mehrzahl der Weibchen und ihrer Jungen, aber auch die nach ihrem Aeussern werthlosen
Männchen ohne Stosszähne, nach und nach durch einen besondem, sehr engen Ausweg
ins Freie. Sie ergreifen nicht etwa schleunigst die Flucht, sondern steigen vor allem in den
nächsten Weiher, um sich zu erfrischen. Währenddessen werden wir zu einem Frühstück auf
eine geräumige, an die Zuschauerplätze anstossende Estrade eingeladen. Sogar auf dem Menu
paradirt ein Elefant mit dem Führer auf dem Halse.
Auf Einladung des Königs sind aus Bangkok mehrere unserer Offiziere hierher gekommen^
Es sind für sie dort im Namen des Hofes grosse Wohnräume im besten Hotel gemiethet worden
und wird allen die weitgehendste Gastfreundschaft erwiesen. Auf Befehl Seiner Majestät erhält
das Geschwader jeden Tag alle Arten Geflügel, alle Gattungen Lebensmittel gratis zugesandt
Derartige Aufmerksamkeiten gegenüber Gesandtschaften und überhaupt gegenüber Ausländern von
Stand sind in Siam von jeher Brauch gewesen.
Unter den Klängen einer harmonischen Musik und den jauchzenden Rufen des Volkes,
welches das Schauspiel des grandiosen Treibjagens bewundert, sowie unter dem betäubenden
Gebrüll der von ihrer Heerde losgerissenen Waldriesen findet der Herrscher von Siam seine Freude
daran, im sagenberühmten Ayodhya den russischen Thronfolger und seine Suite, sowie auch
die vielen russischen Seeoffiziere prunkvoll zu bewirthen.
Nach dem Frühstück wird im Gehege und um dasselbe wieder alles äusserst lebendig.
Die noch nicht gebundenen Gefangenen hat man endgültig zu beschwichtigen beschlossen, was
durchaus keine leichte Sache ist In die staubige Arena, die sich schon beträchtlich entleert hat,
reiten -zu den Gefangenen auf neun zahmen Elefanten geschickte Jäger mit blauen Jacken
und runden weissen Hüten, je zwei auf einem Thier. Der Führer trägt in den Händen eine
Lanze, der zweite, auf dem Schwänze sitzend, hält sich an den dicken Stricken, die den Leib
des folgsamen Riesen umschnüren. Das Auftreten dieser Leute innerhalb des jeder Erschütterung
trotzenden Geheges hat den Zweck, den blindwüthenden Ungethümen Fesseln anzulegen. Die
Annäherung an diese ist aber höchst gefährlich. Eins der Riesenthiere hat, wie verlautet,
soeben mit einem Schlage seines Rüssels einen Lanzenträger zu Fuss, der es von den Pfosten
entfernen wollte, beinahe getödtet Nur mit Mühe konnte man den Unglücklichen noch hinter
die Pfähle schleppen. Denen, die es wagen, den wilden Elefanten festen Selbstvertrauens zu
nahen, droht, wiewol sie sich auf dem Rücken ihrer wundervoll dressirten Mitgehülfen befinden,
beim kleinsten Fehler, bei der geringsten Ausserachtlassung des Gleichgewichts der sichere Tod.
Die riesigen Vierfüssler stossen da und dort aneinander. Das Sitzen auf dem Rücken der
Giganten erfordert ebenso viel Muth und Kaltblütigkeit als Gewandtheit. Sobald die Waidelefanten
sehen, dass sie sozusagen in einen Hinterhalt gerathen sind, verfallen sie ungeachtet der geringen
Anzahl ihrer Gegner in immer grössere Angst, worauf sie sich mit furchtbarer Wucht auf
den Ausgang stürzen. Treiber, die mühsam auf die denselben bildenden Pfosten geklettert sind,
versuchen, mit Piken die Thiere wegzuscheuchen, und versperren ihnen den Weg, indem sie
Balken als eine Art von Schlagbaum niederfallen lassen. Ein Theil der abgequälten, hunge-
rigen Gefangenen erzwingt den Durchbruch ins Freie. Einigen von ihnen kann jedoch eine
Schlinge um den Hinterfuss geworfen werden. Das Seil schleift theilweise hinter dem
Flüchtling auf der Erde nach, ist aber mit dem ändern Ende an dem Leibe eines zahmen
Riesenthieres dauerhaft befestigt Der vom Strick erfasste Wütherich eilt, von allen Seiten umringt,
mit der Heerde ins Freie. Seine Bewegungen werden aber mit jedem Schritt erschwerter,
obendrein wird er durch die in Furcht und Entsetzen gerathehen wilden Nachbarn in die Enge
gedrängt; die Verfolger setzen ihnen im Trab nach, absichtlich zwingen sie die Rettung Suchenden,
um die auf einer anstossenden Wiese speciell zum Fang eingeschlagenen Pfähle herumzulaufen.
Schliesslich bindet sich der Elefant an irgendeiner Stelle so fest, dass er hülflos weder vorwärts
noch rückwärts kann. Umsonst sind seine Versuche, die Fesseln zu zerreissen; zornig beginnt
er mit dem Schwänze zu wedeln und hebt drohend den Rüssel hoch empor. Vergeblich! Die
Jäger legen ihm vorsichtig ein solides geflochtenes Halsband an. Die im Geschäft der Zähmung
erfahrenen Kameraden des Thieres nehmen den Gefangenen in ihre Gewalt Vier von ihnen
fassen ihn von vorn und von beiden Seiten, um ihn in seinen Stand im Stalle zu schleppen.
Einer schiebt den Widerspenstigen mit den Stosszähnen von hinten. Das durch solchen Verrath
im Innersten seiner Seele empörte Thier brüllt und trachtet sich loszureissen, zappelt und fallt
um. Es kommt vor,, dass es vor Erschöpfung nicht mehr aufstehen will noch kann und den
Tod dem Verluste seiner Freiheit vorzieht. Deshalb macht man sich sofort daran, den Unterlegenen
aus Bambusrohren reichlich mit Wasser zu begiessen.
Den Gefangenen lässt man in der ersten Zeit vor Hunger und Durst schmachten, damit
er zur Vernunft komme. Rührend ist es dann zu beobachten, wie die Riesenthiere ihren Leidensgefährten
mit zärtlichen Liebkosungen zu trösten suchen. Die indochinesischen Elefanten gelten
im allgemeinen für halsstarriger und unbändiger als die indischen. Es geschieht nicht selten, dass
sie sich auf den Menschen stürzen.
Die erlauchten Reisenden begeben sich nach Bang-pa-in zurück, um das Diner einzunehmen.
Abends ist der ganze Park illuminirt Kioske mit kühlenden Getränken sind im
Dunkel der Tropennacht unter dem wonnig duftenden Laubwerk eröffnet. Ein glänzendes Fest ist
vom König zu Ehren seines auserwählten Gastes arrangirt und endigt mit einer phantastischen
Procession, bestehend aus einer kleinen Armee von Leuten, die zum Theil in altholländischem
und antik-japanischem Geschmack costümirt sind, zum Theil aus darstellenden Personen bestehen,
die in dem in Siam volkstümlichen Ramayana auftreten. In diesem Festzug lenkt die Aufmerksamkeit
ein weissgesichtiger Hanuman auf sich, der Beherrscher der Affen, der in Indien
stets nur mit rothem Gesicht abgebildet wird.
Indem ich in das Tagebuch eine Menge unauslöschbarer Eindrücke eintrage, notire ich
darin von selbst auch manche in Europa wenig bekannte Thatsachen über die historische Rolle
Siams gegenüber den indochinesischen Reichen. Nur auf dieser Grundlage kann man die
modernem Ereignisse besser würdigen, Ereignisse, deren Folgenschwere noch nicht nach ihrem