
Asiens, und doch ist dieses Asien, strenggenommen, im vollen Umfange mit Russland ein und
dasselbe, nur dass dieser Erdtheil von seiten der russischen Gebildeten und Staatsmänner im
allgemeinen noch geringerer Aufmerksamkeit gewürdigt wird als viele innere Provinzen und
manche Grenzdistricte urisers unabsehbar weiten Vaterlandes, inzwischen rückt unverschiebbar
der Zeitpunkt heran, die Sachlage mit ändern Augen änzusehen, den Blick tiefer in den Osten
zu versenken und das Studium Süd- und Ostasiens als eine Angelegenheit ersten Ranges, als
eine Lebensfrage von ausschlaggebender Tragweite und Nothwendigkeit zu betrachten.
Die Eingeborenen am Menam waren von alters her dem Verkehr und der Verbindung
mit den weissen Ankömmlingen nicht abgeneigt. Unglücklicherweise hat dieses ideale Bedürfnisse
keine Nahrung und Befriedigung gefunden. Die Siamesen,vclie sich zu allen Zeiten gegen
die Ausländer freundlich verhielten, wollten unter anderm besonders den Holländern wohl und
liessen sich sogar zur Verteidigung von deren Interessen in einen sehr kostspieligen Krieg mit
den Spaniern der Philippinischen Inseln ein. Die niederländischen Colonisatoren wussten diese
Freundschaft hur sehr relativ zu schätzen, versagten aber Siam in den Jahren der Aufstände auf
der Halbinsel Malakka ihre Hülfe nicht. Trotzdem versahen sie die Eingeborenen schlecht mit den
von jenen erbetenen Kanonen, aus Furcht, die Selbständigkeit des Königreichs zu eigenem Nachtheil
zu erhöhen. Noch in demselben Jahrhundert, aber etwas später, gedachten die Franzosen
in ähnlicher Weise vorzugehen, und erlitten eine Niederlage. Wären die Absichten und Ziele der
Ausländer aus dem Occident ehrlicher gewesen, sie hätten das Land schon längst für die
Civilisation im besten Sinne des Wortes gewonnen. Die Siamesen thaten in der Person ihrer
Behörden das Mögliche, um sich an dem internationalen Leben zu betheiligen. Als zu den
Zeiten Ludwigs XIV. ein politisch erfahrener, staatskluger Emigrant vom Mittelländischen Meere*
hierher, kam, wusste der König dessen weise Rathschläge zu schätzen, erhob den Fremdling zu
den höchsten Ehrenämtern und setzte ihn über alle Prinzen und Würdenträger. Dieser unter einem
glücklichen Stern geborene Mann war von Geburt ein Grieche: Konstantin. Fauleon von der
Insel Kephalonia, die damals die Oberherrlichkeit Venedigs .anerkannte. ’ Wenn es schon damals
egoistischen Abenteurern ohne alle patriotischen Interessen und Bestrebungen, Leuten, die vom
Ende der. Welt herkamen, gelang, sich im Indochina des 17/ Jahrhunderts zur Geltung zu
bringen, so müsste sich selbstverständlich heutzutage für achtunggebietende Männer der That
der Böden in Siam noch günstiger erweisen, um auf ihm stufenweise ein dauerhaftes Gegengewicht
und Bollwerk gegenüber den europäischen Colonisatoren zu schaffen.
Ein besonderer Raum ist in Ayodhya dem Fang der wilden Elefanten gewidmet. Ein
riesiger Pferch ist errichtet, in den man sie zu Hunderten hineintreibt. Auf der einen Seite
ist eine ziemlich hohe und lange, bedeckte Estrade für den König und sein zahlreiches Gefolge
sowie für eine Menge Zuschauer aus Bangkok gebaut Das gemeine Volk drängt sich um das
Gehege, guckt in dasselbe durch einen massiven Pfahlzaun hindurch und klettert stellenweise an
den dicken eingerammten Pfosten empor, an welchen die Wucht des Andrangs der in die Falle
gerathenen Heerde von Riesenthieren abprallt.
: Die Verzweiflung und die Aufregung der letztem spottet aller Beschreibung. Die Arena
vor uns ist ein wahrer Abgrund von Qualen und Gestöhne. Der unsagbare Schmerz der
Weibchen, die ihre Jungen verloren haben, und die ohnmächtige Wuth der Männchen, welche die
Ueberlegenheit des über ihnen thronenden klugen „zweifüssigen“ Feindes wittern, brechen sich
im Chore Bahn. Die armen Thiere toben und brüllen, rennen ingrimmig längs des Pfahlzauns
hin, von dem die Treiber sie wieder mit Piken wegjagen, oder trampeln und stampfen auf dem
Platze herum, indem sie sich mit Staub überschütten. Ein furchtbares Klagegeheul steigt zum
Himmel empor, wobei die Heerde eine einzige, ungeheuerliche, schmutziggraue Masse leidender
Wesen darstellt. Dem Europäer, der an dieses Schauspiel nicht gewöhnt ist, will es scheinen,
als ob diese Thiere nur zeitweise ihre Stärke nicht kennen und die Einfassungshürde nicht
zerstören, hinter welcher die Menschen auf die gefangenen Riesen hinabschauen; den Eingeborenen
aber kommt so etwas gar nicht in den Sinn. In einen wirren Haufen zusammengejagt,
verlieren die Elefanten alle Fassung und gerathen ausser sich. Wahnsinniges Entsetzen
packt die gefangenen Riesen. Sie er- ;
warten keine Befreiung, sondern stöhnen
nur und trompeten aus Angst.
;§|Unter der Heerde befinden
sich einige nach ihrem Aeussern
seltene Exemplare. Nicht umsonst
hat Siam von jeher den Ruhm
gehabt, an besonders hervor- •
ragenden Kolossen' reich zu
sein. Der Herrscher von Gol-
konda im Dekhan schickte
'z.: B. dem Grossmogul Au-
rangzeb, um ihm die denkbar
werthvollsten Geschenke zu
machen, Elefanten. Diejenigen,
die sich durch ihre
Abrichtung auszeichneten,
stammten
aus Ceylon, die
ändern, die durch
ihre Grösse hervorragten
, vom
Menam.
Die Engländer wissen sich zur Zeit in nicht
geringerm Maasse als die frühem Höfe die Fähigkeiten
und die gewaltige Kraft dieser ziemlich gut-
müthigen Thiere zu Nutze zu machen. In Assam
veranstaltet die britische Regierung jährlich systema- M B B 0 AM MENAM.-•
tische Treibjagden und lässt die nützlichen Thiere
zähmen, um sie zum Transportdienst und ähnlichen
Collectivarbeiten zu verwenden. Bis auf den heutigen Tag hat sich die Meinung aufrecht erhalten, als
ob die Thiere von Hause aus klug und gutartig seien. Es gibt aber ausschlaggebende Stimmen, die
gerade das Gegentheil behaupten. Nach ..den .hier eingepferchten armen Kerlen zu urtheilen. kann
ihnen die zweite Eigenschaft zür.Noth wirklich zugesohriebSn werden, keineswegs aber, die
erster*. Indessen ihnen ein feines Gefühl, ja sogar gewissermaassen Verstand abzusprechen, ginge
gegenüber recht vielen unbestreitbaren Thatsachen doch auch nicht an. Zuweilen braucht ein in
Wuth gerathener Elefant blos einen Menschen zu tönten, um S Ä sofort wieder zu beruhigen.
Dies erfuhr z. B. einer von den Grossmoguls, als er einst auf einern zahmen Riesenthier spazieren
ritt. Dieses wurde plötzlich wüthcnd. Der Führer beschloss;* sich selbst zum Opfer zu bringen,