
Art schon fast davongeflogen, ringsum- aber hockt das ergebene Volk in tiefem Schweigen.........
Was für ein rührendes, unvergessliches Schauspiel! Die Regierung hatte nichts absichtlich arrangirt,
sie hatte sich einfach auf die Bekanntmachung beschränkt: „Euer König erhält den Besuch eines
seltenen Gastes aus dem freundschaftlichen Norden: beweist ihm eure Hochachtung, mit was ihr
könnt und wie ihr es versteht.“ Liebes anmuthiges Siam!
Am Ufer eines Stromarmes in Bang-pa-in ist eine längliche Estrade errichtet, von welcher
aus die erlauchten Reisenden unter den Klängen der Musik der Hofkapelle sich an dem interessanten
Anblick des Treibens der Eingeborenen ergötzen, die sich in Kähnen aller möglichen Grössen
auf dem Strome herumtummeln. Es handelt sich
um ein Wettrudern. Mit erstaunlicher Geschwindigkeit
fliegen denn auch die mit zwanzig Ruderern
bemannten Pirogen dahin, wobei die Ruderer
ihren Leib stark nach vorn beugen und in dieser
höchst unbequemen Lage das Wasser schaufeln. Die
Schnelligkeit ihrer Bewegungen, ihre: Muskelstärke
und ihre Gewandtheit sind fast unglaublich. Hinter
den grossen Kähnen huschen kleinere und immer
kleinere in den Wettkampf. Inzwischen ist die
Stunde des Sonnenuntergangs herangerückt. Die
Sonne ist von einer goldenen Nebelwolke verschlungen
worden. Nur ab und zu blinkt noch
ihre Dunstscheibe am gegenüberliegenden Ufer, aber
von den Bäumen verdeckt, verbirgt sie sich hinter
jede Palme und sinkt immer tiefer. Die
Dunkelheit schleicht heran. Das Orchester
stimmt eine leise, schwermüthige Melodie
a n Indessen ist auf dem Flusse
unten noch bei weitem nicht alles Leben
erstorben. Die siegreichen Kähne haben sich in der
GESCHENKE d e s Kö n ig s v o n s iam . Nähe der Estrade versammelt Einige Eingeborene
geben in ungemein schmalen und leichten Langkähnen
erstaunliche äquilibristische Kunststücke mit derselben Sicherheit und Grazie zum besten,
wie etwa Akrobaten auf dem festen Lande. Ob sie stehen oder liegen, sie fühlen sich vollkommen
im Gleichgewicht auf dem schwankenden Element und balanciren rotirende Scheiben
auf langen Stangen. Mit ganz einzig dastehender Behutsamkeit führen vierjährige Knäblein die
kühnsten Bewegungen aus, indem sie ihren Vätern entweder behülflich sind oder dieselben nachahmen.
Aus allem ist ersichtlich, dass das Wasser ihr Element und ein Kentern ihnen gleichgültig
ist
Die erlauchten Reisenden sind zum Diner in das sogenannte „chinesische“ , zwei Stockwerke
hohe Palais eingeladen. Der Erbauer desselben, ein Angehöriger des Himmlischen Reiches,
der in Siam zu grossem Reichthum gelangt war, hat den Palast dem Könige zum Geschenk dargebracht.
Es ist in der That ein märchenhaft prunkvolles Gebäude: die mit ornamentirten Fliesen
belegten Fussböden, die massiven Ebenholzmöbel mit Intarsien, die mit verschwenderischer Hand
zur Ausschmückung verwendeten Edelmetalle sammt Porzellan, das durchbrochene, feine Schnitzwerk
an den Säulenreihen und Fenstern, kein Zweifel, — wir haben die Hauptsehenswürdigkeit
von Bang-pa-in vor uns.
In phantastisch bunter Umgebung glänzt in den Salons der zweiten Etage ein buddhistischer
Altar mit dem in tiefster Seelenruhe .sinnenden Schakyamuni. Die unnatürlich langen
Ohren des Bildes bedeuten Weisheit und Stärke. Die apathische Körperhaltung will andeuten, dass
der „Lehrer“ den höchsten Grad der Selbstvertiefung in die reinen Freuden des Nirwana erreicht hat.
Nach dem Diner bittet der erlauchte Gastgeber den theuern Gast auf liebenswürdige
Weise, zum Andenken einige Gegenstände entgegenzunehmen, die in des Grossfürsten Sammlung
orientalischer Raritäten zweifellos einen bemerkenswerthen Platz ausfüllen werden. Die Sachen
sind um und auf einem besondern Tische gruppirt, und es ist eine wahre Freude, zu beobachten,
von welch herzlichem Gefühl der König beseelt ist, als er dieselben Seiner Kaiserlichen Hoheit
überreicht
Die Hauptgeschenke, die das königliche Paar dem Grossfursten-Thronfolger macht,
bestehen aus folgenden Gegenständen
:
1 ) Zwei grosse photographische
Porträts Ihrer
siamesischen Majestäten
in massiv silbernen, vergoldeten
Rahmen, mit
Kronen über denselben.
2) Ein Paar kolossale Elefantenzähne,'
die dem
Landesherrn von Laos
aus der Provinz Nau dargebracht
worden waren.
3) Ein siamesischer Säbel
in goldener Scheide.
4) Ein Laossäbel in kost- g e s c h e n k e d e s Kö n ig s v o n s ia m .
barer Einfassung aus der
Provinz Tschiengmai.
5) Ein malaiischer Dolch in Einfassung, von der Halbinsel Malakka, aus der Provinz Patam.
6) Ein Metallcandelaber in der Form von Vögeln auf einem Piedestal. Ebenso eine von
drei Vögeln emporgehaltene Metallvase.
7) Einige Porzellanmünzen mit Inschriften.
8) Zwei kleine emaillirte Blumenvasen mit Nephritblumensträussen.
9) Ein Service, bestehend aus zwei Theekannen und zwölf braunen Tässchen aus chinesischem
Thon, auf vergoldetem Plateau.
io) Eine Menge photographischer Ansichten von Siam u. a. m.
Abends setzen wir uns beim chinesischen Palais in Kähne und gondeln von Kanal
zu Kanal bis zu einem breiten, mit finstern Thoren eingeschlossenen Wasserreservoir, wo uns
ein interessantes Schauspiel erwartet. Um ihre Kunst zu zeigen, kamen zahlreiche Unter-
thanen Seiner Majestät vom Norden hierher, ausserdem Malaien von der Malakka-Halbinsel,
der das Schicksal droht, die Beute Albions zu werden, ferner Emigranten aus dem von
den Franzosen dem verhältnissmässig schwachen Siam endgültig entrissenen Kambodscha,
und Laos aus den nördlichen und nordöstlichen Provinzen des Reichs. Die Vasallen des