
Die erlauchten Reisenden setzen-ihren Rundgang durch die königlichen Heiligthümer Siams
fort und verweilen nur hier, und da vor den allermerkwürdigsten Stil- und Ornamentsdetails. Die
seltsame Schnabelform und die. Muster der Dächer, die elegante Ausarbeitung der „Pratschedi“ , die
in der Idee den altindischen „Stupas“ und „Dagoben“ ähneln sollen (den zu Ehren des Religionsstifters
und über seinen Reliquien errichteten Denkmälern), die Mosaiken von Gold auf Glas, die
hässlichen Figuren von
phantastischen Thieren
und greulichen Riesen,
die an einigen Tempeln
Wache stehen, die silber-
durchwirkten Teppiche
auf dem Fussboden im
Innern eines in seinem
Schmucke höchst malerischen
Heiligthums mit
himmelblauen Wänden,
die in buntem Flitterstaate
glänzen, dann
wieder matte Fresken
in der Tiefe der Kuppel,
die Gemälde aus dem
Ramayana und aus dem
buddhistischen Legendenschatz
unter den
Wölbungen der diesen
und jenen Tempel umgürtenden
offenen Galerien
liky alle möglichen
Raritäten fesseln hier
ringsumher nacheinander
die Aufmerksamkeit
des Betrachters. Da sieht
man Schränke mit den
Büchern des heiligen
„Gesetzes“ , eigenthüm-
licherweise von den Siaraschung
HMH| ■ ¡ ■ ■ ■ ■ ■ I ■ mesen „namo genannt,
TEMPEL IN BANGKOK.
denn auch bei den Mongolen
und Burjaten ist
die Benennung „nom“ . Existirt zwischen diesen Bezeichnungen und dem altgriechischen vojxo? irgendein
greifbarer Zusammenhang? Auf einem ziemlich plumpen Wandgemälde unterscheidet man Affen,
wie sie die im Epos berühmte Brücke nach Lanka aus Steinen bauen, die ihnen von den Fischen
überreicht werden, und dicht daneben das Bild ,eines untersetzten dicken Holländers in der
Tracht des 17. Jahrhunderts, mit einem Fernrohr in der Hand! Und das ist im Stile nicht
etwa eines brahmanischen, sondern eines dem Brahmanismus geradezu entgegengesetzten Tempels
gemalt! Freilich sieht man nicht selten auch in alten italienischen Klöstern zur grössten Ueber-
die Kunst der Maler selbst da, wo sie sich in die Darstellung der erhabensten Ideale der
christlichen Kirche versenkt, ihre Vorwürfe aus der classischen Mythologie wählen!
Wir verlassen den öden Wat Pra Keo, in welchem wir nicht einen einzigen Geistlichen
getroffen haben. Leise erzittern hinter uns wie Klänge feiner Glöckchen Blätter aus Bronze,
welche die Aussenseite einer Pagode verzieren.
Ihre Hoheiten besuchen alsdann einige Thronsäle des Palastes Tschakra Kri, sowie die
Kleinodien des Königs, die wir gestern nach dem Diner nur flüchtig besichtigen konnten. Die
KLEINODIEN DES KÖNIGS VON SIAM.
Schatzkammer Seiner Majestät soll gegen 20—30 Millionen Mark Werth besitzen. In Pyramidenform
aufgebaut, künstlerisch arrangirt, leuchten und funkeln in allen Regenbogenfarben im Widerschein
der Vitrinen Kränze, Ringe, Ketten, Armbänder und mit Edelsteinen übersäete Gefässe.
Weitaus die meisten dieser Kostbarkeiten stammen aus einheimischen Kunstwerkstätten und verdienen
wirklich alle Achtung. Die Diamanten sind grösstentheils importirt: aus java und Borneo,
aber auch von Pariser Juwelieren.
Aus dem königlichen Centralpalast fahren wir in Equipagen in das sogenannte Museum.
Der Weg dahin ist bedeutend länger als in den Saranrom und wenig interessant. Ausser kolossalen
Tempelbauten und zackigen, die Residenz des Königs einschliessenden Festungswällen
Orientreise. II. .. * -0