
Gleich soll vor Ihren Hoheiten die Procession der königlichen „weissen“ Elefanten aufmarschiren.
Jeder von uns (wie übrigens das ganze gebildete Abendland) hat so viel von diesen seltenen
Thieren gehört, dass man nicht ohne Enttäuschung erfährt, es gebe zur Zeit in Bangkok gar
keine solchen. Unter den schmutziggrauen zahmen Riesen gibt es nur hier und da zwei, drei
ein wenig hellere, oder, richtiger gesagt, weniger dunkle, mit klugen „rothen“ Aeuglein und
zuweilen auch mit übermässig entwickelten Rüsseln und Stosszähnen. Letztere Eigenschaft wird
ausserordentlich geschätzt und trägt wesentlich zur Erhöhung des Reizes der auserkorenen Elefanten
bei. Ich komme recht bald zur Ueberzeugung, dass die intelligenten Siamesen unserer Umgebung
nur ungern von den „weissen“ Repräsentanten dieser Thiergattung sprechen und die Glaubwürdigkeit
der Erzählung mancher Touristen in Abrede stellen, welche versichern, es würde
denselben vom Volke fast göttliche Ehre erwiesen. Immerhin prangt auf der siamesischen Flagge
mitten im rothen Felde das charakteristische Bild eines weissen Elefanten. In Wirklichkeit kommt
so einer augenblicklich nicht vor. Was sich das Volk darunter vorstellt, ist ein sagenhaftes Wesen
höherer Art Aus irgendeinem Grunde ist in Indochina und den malaiischen Ländern (ganz gewiss
auch im alten Indien und im alten China) überhaupt mit dem Begriff der Albinos die Ueberzeugung
von ihrem übernatürlichen Ursprung verknüpft Wiewol sie immer mehr oder weniger krank
sind, gereicht ihnen diese doppelte Anormalität in den Augen der Menge nicht zum Nachtheil,
sondern eher zum Vortheil. Solche schwächliche Kinder werden z. B. häufig von einheimischen
Fürsten vollständig in Kost und Pflege übernommen und die Eltern für die Ueberlassung eines
solch seltsamen bleichgesichtigen Wesens reichlich entschädigt.
Die weissen Elefanten stehen im Orient seit unvordenklichen Zeiten in hohen Ehren.
Es lassen sich dafür unendlich viele Beispiele anführen. Affasiab, der halbmythische Herrscher von
Samarkand, der die durch das iranische Heldenlied berühmten Heerscharen Turans nach Iran führte,
soll unter seinen Verbündeten auch einen Chan von den Grenzen Chinas besessen haben, der auf
einem weissen Kriegselefanten ritt Buddha stieg geheimnissvoll in den Schoss der Maya herr
nieder, von einer perlenfarbigen Wolke umhüllt, in welcher der schon seinem Wesen nach heilige
weisse Elefant aus dem Himmel zu ihr hernieder schwamm. An den Sommerfesten der Lamaisten
in Sibirien zu Ehren ihres Messias (Maidari, d. h. sanskritisch Maitrin, Maitreya, der Freund, d. h.
der Buddha) führen die heidnischen Eingeborenen auf einem Wagen die grob geschnitzte Figur
eines solchen Thieres herum. Der letzte „Dschina“ (Besieger der Sünde) wird bei den Dschainas
in Indien als ein weisser Elefant dargestellt .
Im Jahre 1342 bat der Thronfolger von Ziampa (Cochinchina) bei Annam um,Hülfe gegen
Rebellen und sandte dorthin zum Geschenk einen, weissen Elefanten und ein weisses Pferd.
Als die Chinesen im Anfang des 15. Jahrhunderts Cochinchina in Besitz nahmen, legten sie.
auf dasselbe ein schweres Joch und thaten ihr Möglichstes, sämmtliche dort bestehende Institutionen
und Volksgebräuche auszurotten. Die neueüGebieter hatten es eilig, das Land auszuplündern
und seine natürlichen Reichthümer zu exploitiren. Einen der Hauptanziehungspunkte
bildeten für die Bedrücker die sogenannten weissen Elefanten, auf deren Fang ins Wald- und
Bergdickicht Tausende von Annamiten mit eiserner Strenge getrieben wurden.
Zwei solche Albipos gelangten nach Europa. Der erste ist der „elephas albus“ des Dichters
Horaz unter dem Kaiser Augustus, der das nach Schauspielen lüsterne Rom mit allen möglichen
überseeischen Naturwundern zu erheitern suchte. Den zweiten weissen Elefanten führten im
Jahre 1633 die Holländer auf. Ungefähr um dieselbe Zeit wurde dem Grossmogul ein solches
Thier aus Südostasien gebracht
Als im 7. Jahrhundert der Kaiser Heraküus mit den. Persern Krieg führte, besass Chosroes
jenseits des Tigris unter ungezählten Schätzen auch Elefanten ' „weiss wie Schnee“ . Auf einem
solchen Thiere reitend schlug der berühmteste Sultan des 1 1 . Jahrhunderts, Mahmud von Ghazni,
die türkischen Nomadenstämme zwischen dem Aralsee und dem Amu Darja.
Der grosse buddhistische Gelehrte Buddhaghoscha reiste, wie bekannt, vom Festland von
Asien nach Ceylon, um sich dort allseitig mit der Pali-Literatur bekannt zu machen. Auf seiner
Rückreise wurde er am heimatlichen Strande von Birmanen, Tibetanern, Siamesen und Annamiten
bewillkommnet, wobei er seinen Glaubensgenossen höchst werthvolle handschriftliche Denkmäler von
der Insel Ceylon einhändigte. Sofort brachte man diese unter einen hellen, mit Gold und Purpur
ausgeschmückten Baldachin und hob sie alsdann auf den Rücken eines weissen Elefanten. Um
den Besitz solcher Thiere führten in der Folge Birma und Siam mehr als einmal grimmige Fehden
wider einander.
Zur Stunde wartet unser keine Entfaltung märchenhafter Pracht. Es wird sich nur ein
höchst interessantes Schauspiel vor unserh Augen entrollen.
Ihre Hoheiten besteigen eine lange Gartenterrasse, die an die Blumenbeete und Treibhäuser
des Parkes stösst. Hinter derselben zieht sich ein Kanal und eine armselige Strasse hin, durch
welche unter den Klängen - einer disharmonischen Musik von Eingeborenen ein ganz eigentümlicher
Festzug sich langsam bewegt. Voraus schreiten Sklaven oder richtiger Kriegsgefangene
und Verbrecher, deren Aufgabe es ist, die Elefanten aufmerksam zu bedienen. Sie
tragen kostbare Geschenke und Geschirre, die wahrscheinlich dem Opfersinne gläubiger Buddhisten